Archiv für den Monat Dezember 2024

Seltenes Wetterphänomen in Mitteleuropa: Polare Stratosphärenwolken

Irisierende hohe Wolken am 16.12.24, Blick vom Flugsicherungstower Schwechat Richtung Süden bei Sonnenuntergang (15.52 MEZ), eigene Aufnahme

Der Montag, 16.12., war nicht nur ein spannender Wettertag mit ausgeprägtem Westföhn am Alpenostrand und hochreichenden Wellen. Immerhin gab es in den Niederungen verbreitet Böen von 80-90km/h, lokal auch 100 km/h, auf dem Hochschneeberg wurden 180 km/h gemessen. Zahlreiche Feuerwehreinsätze waren die Folge vor allem südlich von Wien. Auf der Rax mussten zwei junge Wanderinnen gerettet werden, die den Sturm unterschätzt haben.

Am Abend gab es die obige Wolkenstimmung mit ausgeprägten Föhnwolken (Altocumulus lenticularis). Über der schattigen dicken Wolke links ist klar der Schatten eines Kondensstreifens zu erkennen. Noch deutlich dahinter, also viel höher, schimmerten filigrane Wolkenstrukturen in den Regenbogenfarben („Perlmutt-Färbung“).

Es handelt sich sehr wahrscheinlich um „polare Stratosphärenwolken“ (PSCs), die in der Stratosphäre in Höhen um 20-30km auftreten. Voraussetzung ist eine Temperatur von unter -78°C. Im Winter in Polarregionen jenseits der 80° nördlicher/südlicher Breite geschieht das regelmäßig. Sie bestehen aus Kristallen von Schwefel- oder Salpetersäure, um die sich ein Eismantel bilden kann. Leuchtende Nachtwolken wären deutlich höher in 80-85km Höhe in der Mesopause.

Eine weitere Voraussetzung ist ein ungestörter Polarwirbel, sodass die Temperatur weit absinken kann, weil sonst durch die Meridionalisierung wärmere Luft eingemischt wird.

Zuletzt wurden PSCs am 22.12.2023 im Tessin beobachtet.

Temp vom 16.12.24:

Mittagsaufstieg von Wien, 13 Uhr LCT (16.12.24, kachelmannwetter.com)

Dieser zeigt zum Einen sehr schön die markante Inversion in rund 1km Höhe, also über dem Wienerwald, somit kam es zur Stromliniendrängung der Westströmung zwischen Kammhöhe und Inversion, was die hohen Windgeschwindigkeiten im Lee erklärt.

Die -70°C-Isotherme wurde im Bereich der nicht mehr beschrifteten Skala oberhalb von 12km Höhe zeitweise unterquert – kann also nur spekulieren, dass die -78°C hier erreicht wurden.

EZWMF-Analyse in 10hPa am 16.12.24, 12 UTC:

Quelle: MET FU BERLIN

Der Polarwirbel war wie erforderlich ungestört, rein zonal, mit Zentrum bei Spitzbergen. Die Tiefstwerte in 10hPa (ca. 26,5km Höhe) gingen bis -83,3°C.

in 20 hPa (ca. 23,3km Höhe) war es sogar noch etwas kälter.

Polare Stratosphärenwolken erscheinen daher sehr plausibel.

Nachtrag:

In meinen Aufzeichnungen habe ich eine weitere Sichtung aus dem Jahr 2016 gefunden:

Irisierende hohe Bewölkung Richtung Südwesten, fotografiert vom Karlsplatz am 01.02.2016

Die Entstehung ist hier beim Deutschen Wetterdienst verständlich erläutert, zuletzt traten sie im Februar 2008 und Jänner 2010 auf.

Temperatur in 30 hPa Geopotentieller Höhe über der Nordhalbkugel, Quelle: netweather.tv