
Der 8. Juni 2024 markiert den vorläufigen Höhepunkt des unwetterträchtigen Frühlings, als sich in Deutschfeistritz im Murtal für mehrere Stunden ein heftiges Gewitter entlud und der durch das Ortsgebiet führende Übelbach einen Wasserstand/Abfluss erreichte, der statistisch nur alle 300 Jahre auftritt. Das führte im Ort zu massiven Sachschäden, glücklicherweise gab es keine Verletzten oder Toten zu beklagen. Die behördlichen Katastrophenwarnungen per App sind laut Ortsansässigen ausgeblieben, Sirenenalarm ertönt üblicherweise nur bei Feuerwehreinsätzen – wenn es bereits zu spät ist. Im Theater fand gerade eine Veranstaltung statt, als die Flutwelle kam.
Auch in anderen Regionen kam es zu extremen Hochwasser mit HQ30-100-Wasserständen. Das lässt sich entsprechend an den gefallenen Niederschlagsmengen ablesen: Bad Vöslau 23mm in 20min, Schöckl 18mm in 10min, St. Radegund 56mm in 20min (75mm in 1h), Kleinzicken 77mm, Dürnbach 86mm und Wörterberg 69mm in wenigen Stunden. Eine private Wetterstation im Süden von Deutschfeistritz registrierte 67mm in wenigen Stunden, davon 38mm in 1 Std.
Seit Jahrzehnten wissen wir, dass durch die globale Erwärmung mehr Wasserdampf in der Atmosphäre ist und bei konvektiven Ereignissen zu intensiveren Niederschlägen führen kann. Das gestrige Unwetter war kein „nie“ dagewesen, das trifft auf der räumlich begrenzten Natur von Gewittern auf etliche Orte in Österreich zu, sondern trat in den vergangenen Jahren immer wieder auf, etwa 2012 in Oberwölz, 2013 im Liesing-Paltental, 2016 in Simbach am Inn. Unwetterereignisse kommen oft in mehreren Serien an Schwergewittern oder Überflutungen, was an der Erhaltungsneigung von Großwetterlagen liegt. Seit dem Hitzestart Anfang April hat sich der Trog Mitteleuropa mit nasser Witterung festgefahren und wechselte lediglich mit Juni auf die schwülwarme Seite.
Es kommen jetzt natürlich auch Stimmen, dass es laut Dorfchronik dann und wann schon vergleichbare Ereignisse gegeben habe. Das ist ähnlich sinnvoll wie zu sagen, im Jahr 1342 habe es mit der Magdalenenflut auch schon ein riesiges Hochwasser gegeben. Dies wäre nur dann von Relevanz, wenn es keine Entwicklung der Bevölkerungszahlen geben würde. Es ist aber Fakt, dass im Jahr 2024 rund 8 Milliarden Menschen auf der Erde lebten, im 13. Jahrhundert waren es nur 450 Millionen. Die Besiedlungsdichte hat sich verändert. Täler sind nun mal attraktiver als Kirchenhügel. Das heißt aber auch, dass ein Hochwasser der Größenordnung 1342 oder eine Flutwelle in einem Gebirgstal in der heutigen Zeit viel folgenreichere Auswirkungen hat. Daher muss Prävention möglichst beide Faktoren abdecken: Die weitere globale Erwärmung begrenzen und Hochwasserschutz auf zunehmende HQ100-300-Ereignisse angepasst ausbauen. Zudem sollte der unmittelbare Schutz von Leib und Leben den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts angepasst werden: Eine funktionierende Warnapp und Sirenen vor Ort. Mit Rückblick auf die gestrige EU-Wahl einen Tag nach dem Unwetter, wo trotzdem 35% der Bewohner die Klimaleugner-Partei FPÖ gewählt haben, muss man leider sagen, dass die Notwendigkeit von Klimaschutz offenbar nicht in den Köpfen angekommen ist.
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