
Spitzenreiter am Donnerstag, 19.05.22, war Innsbruck-Uni mit 31,4°C. In Südtirol gab es in der Nacht auf Donnerstag eine historisch warme Nacht, die erste Tropennacht im Mai mit 20°C Minimum in Bozen und Meran. Im letzten Jahrhundert gab es sie in Meran nur im Juli und August, bis 2010 nur alle paar Jahre, 2002 die ersten drei Tropennächte im Juni, die bisher früheste war am 15. Juni. Am 19. Mai ist aber eine ganz neue, beunruhigende Dimension (Danke an ORF-Meteorologe Daniel Schrott für die Statistik). Tropennächte sind gefährlich für die Gesundheit – es kühlt in Häusern weniger ab als im Freien (Hitzestau), der Körper kann sich nicht mehr selbst ausreichend kühlen, eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System, v.a. für Senioren und Personen mit Vorerkrankungen, aber auch generell setzt es die Schlaftiefe und -länge herab, was die Konzentration und Leistungsfähigkeit tagsüber erniedrigt.
Rekordhitze auch in Spanien und Frankreich. Was das für die Ernte bedeutet, zumal es gleichzeitig viel zu trocken ist, kann man sich ausmalen, nicht nur in Europa, sondern derzeit auch in Pakistan und Indien. Dazu die zerstörte oder nicht mehr ausführbare Ernte aus der Ukraine.
Der Worst Case ist dann aber, wenn eine stürmische Höhenströmung auf ungewöhnlich heiße und energiereiche Luftmassen trifft:
Unwetterlage am Donnerstag, 19. Mai 2022

Eine ausgeprägte Gewitterlinie über Westdeutschland, die Wolkenobergrenzentemperaturen erreichen bis zu -70°C (FL410), über Bremen verwirbelt die Linie.
Auf der Vorhersagekarte sieht die Lage heute und morgen so aus:

500 hPa sind vereinfacht gesagt 5500m Seehöhe, das ist die mittlere Höhe der Troposphäre, die die Verlagerung der Gewitter steuert. Der Wind weht hier in etwa parallel zu den Isohypsen, am Boden weht er umso stärker parallel, je dichter die Isobaren gedrängt sind, sonst dreht er wegen der Reibung stärker ab ins Tief. In beiden Fällen, am Freitag noch extremer, kreuzen die Isobaren die Isohypsen. Das heißt vereinfacht, dass die Bodenwinde stark zurückdrehen, während in der Höhe ein straffer Südwestwind weht. Diese starken Scherwinde begünstigten langlebige und organisierte Gewitter, hier durch die bodennahe Starkwindkomponente vor allem Böenlinien mit Orkanböen, aber auch eingelagerten Tornados.
Solche Konstellationen mit subtropischen Luftmassen (hohes 500 hPa Geopotential, heiße Luftmassen) passen in den Hochsommer, aber nicht in den Mai. So ausgeprägte Bodentiefs sind wiederum im Sommer sehr selten, meist entsteht nur eine flache Isobarenausbuchtung, der sogenannte Gewittersack. An eine derartige Lage Mitte Mai kann ich mich nicht erinnern in den letzten 20 Jahren, wohl aber an den 2. Juni 1999:

Damals fegte eine Gewitterlinie über Deutschland hinweg, es gab verbreitet schwere Sturm- und Orkanböen. Dennoch sieht man auch hier keine abgeschlossene Zirkulation im Bereich der stärksten Bodenwinde, die Art von kräftigen Bodentiefs wie heute und morgen ist also neu.
Ein Update über Schäden und die weitere Entwicklung folgt morgen.
- Update, 08.30 MESZ: Heute ist der 39. Tag in Folge, wo die Temperatur in weiten Teilen Frankreichs weit über dem Durchschnitt liegt. Kap Arkona auf Rügen hatte gestern einen neuen Wärmerekord für Mai mit 27,7°C (alter Rekord 26,8). Grund dafür ist dort immer ein Südsüdwestwind (Landwind).
- Update, 17.30 MESZ: Neuer Mai-Rekord für Vorarlberg, Bludenz 33,7°C, Stationsrekorde mit kürzeren Messreihen: 31,4 Klausen-Leopoldsdorf, 31,1 Mattsee, 24,8 Schmirn;
- Tornado in Lippstadt (NRW), Superzellen-Outbreak in Nordfrankreich, Benelux, Westdeutschland
- Update, 18.20 MESZ: 41,0°C in Sevilla, neuer Mai-Rekord
