Lüften bei Hitze: Sinnvoll oder Schas?

Tiefe Quellbewölkung nach dem Unwetter über Wien am 17. August 2024

Dieses Thema ist ähnlich umstritten wie die berüchtigte Zugluft als (keine) Ursache fürs krank werden. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass die Leser nicht zu den wohlhabenden Menschen mit Eigenheim gehören, die das Problem schlicht nicht haben, weil sie sich eine fest installierte Klimaanlage leisten können. Ich spreche auch nicht all jene an, die sich eine mobile Klimaanlage in die Wohnung stellen, die gewisse Kosten beim Energieverbrauch mit sich bringt und überdies Lärm verursacht.

Doch was ist mit dem Rest? Wenn man eine Wohnung hat, in der man nicht für Abkühlung sorgen kann? In der es über viele (wenige) Wochen immer wärmer wird, weil sich die Glasscheiben und Wände aufheizen, etwa weil es keine Außenjalousien gibt und das Anbringen von spezieller Sonnenschutzfolie aufwendig oder teuer ist, oder wegen der damit einhergehenden Reflexionen erst mit der Hausverwaltung abgesprochen werden muss.

Früher – vor den ganzen Hitzerekorden im Sommer – hätte man dazu geraten, tagsüber Fenster geschlossen zu halten und nachts zu lüften, wenn es kälter ist als drinnen. Jetzt kühlt es aber auch oft nachts nicht mehr ab. Es weht wenig oder gar kein Wind mehr, sodass Querlüften kaum nennenswerte Abkühlung bringt. Manchmal hilft ein Ventilator beim offenen Fenster oder Tür, um die kalte Luft leichter ins Zimmer zu befördern, aber die wenigen Zehntel, die man damit abkühlen kann, sind schnell wieder futsch, sobald man wieder schließt.

Die Behaglichkeit wird – laienhaft gesprochen – von vier Faktoren bestimmt: Lufttemperatur (Raumtemperatur), relative Luftfeuchte (Schwüle), Wind (Verdunstungsgrad) und Kohlendioxid-Wert (Luftqualität).

An etlichen Sommertagen in diesem heißen Sommer in Wien und Umgebung herrschte kaum Wind, die Luft steht. Sie steht dann auch in der Wohnung. Selbst mit Wind bleiben Lufttemperatur, Feuchte und Kohlendioxidgehalt des Innenraums. Bei hohen Temperaturen liegen die CO2-Werte höher, die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab, das Infektionsrisiko etwa im Haushalt, im Wartezimmer, auf den Bettenstationen von Reha-Häusern und Spitälern zu. Müdigkeit, Kopfweh, Halsweh, mitunter Symptome wie bei einem respiratorischen Infekt, können auftreten, die verschwinden, sobald man lüftet oder in einen klimatisierten Raum kommt.

Wer also längere Zeit im Home-Office sitzt, schmort wortwörtlich im eigenen Saft, bei 28, 29 oder 30 Grad Raumtemperatur, mit steigenden CO2-Werten durch die eigene Ausatemluft, die Konzentrationsprobleme macht, und mitunter durch eine hohe relative Luftfeuchte um 70% und höher. Die Schwüle schlägt sich vor allem auf den Kreislauf nieder und vermindert die Fähigkeit zu schwitzen. Der Körper überhitzt und gerade bei älteren Menschen, die meist zu wenig trinken, kann das leicht zum Hitzschlag führen.

Die Krux des Lüftens und Nichtlüften ist den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Letzte Woche war es täglich heiß, aber noch vergleichsweise trocken. Bei trockener Luft lässt sich auch tagsüber noch gut lüften. Zwar steigt die Raumtemperatur an, aber es gelangt auch trockenere Luft hinein, sodass die Fähigkeit zu schwitzen und sich dadurch zu kühlen (Verdunstungskälte) gegeben bleibt. Zudem gehen die CO2-Werte zumindest etwas zurück. Dann kam das bekannte Unwetter in Wien am Samstagnachmittag, mit sehr heterogenen Niederschlagsmengen über das ganze Stadtgebiet verteilt (zugehörige Fallstudie schaff ich vielleicht noch), aber verbreitet 30 bis 110mm innerhalb von 1-2h. Der Boden trieft, doch das Gewitter brachte keinen Luftmassenwechsel. Die Taupunkte stiegen danach über 20 Grad, die relative Feuchte über 70%. Die paar Grad weniger in der Wohnung waren erfrischend, doch zum hohen Preis der gestiegenen relativen Feuchte, die danach nicht mehr aus der Wohnung befördert werden konnte. Viele litten am Folgetag unter der extremen Schwüle und Kreislaufproblemen. zum Glück kühlte es am Abend mit der Kaltfront deutlich ab, mit dem Lüften brachte man nochmals kühlere Luft in die Wohnung, doch bereits am Montag tagsüber lagen die Taupunkte im Osten von Österreich erneut zwischen 18 und 20 Grad, bei Höchstwerten von 24 bis 26 Grad erzeugte das mit 60-70% rF erneut hohes Schwüle-Empfinden. Nicht nur das – beim Lüften ändert sich die Feuchte in der Wohnung kaum.

Meine Gedanken dazu:

Lieber trockene Hitze in der Wohnung als hohe Feuchte bei etwas geringeren Temperaturen. Ein empfohlener Lifehack ist ja z.B. Wäsche in der Wohnung trocknen, während der Ventilator die Wäsche anbläst. Ja, die Verdunstungskälte senkt die Raumtemperatur, aber mit der Verdunstung steigt die relative Feuchte – und sofern nicht auf absehbare Zeit eine Kaltfront kommt oder die Taupunkte signifikant zurückgehen, hat man diese erhöhte Feuchte dann in der Wohnung – auf Dauer auch ein Schimmelrisiko.

Lieber niedrigere CO2-Werte als bei etwas kühlerer Luft massive Konzentrationsschwächen zu haben. Insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen herrscht dazu dann ein hohes Infektionsrisiko. Hohe CO2-Werte säuern die Luft an und saures Milieu begünstigst die Übertragung von SARS-CoV2.

Für die Dauer von Pest (zu feucht) oder Cholera (zu heiß), hilft ein Ventilator trotzdem, denn er verbessert die Verdunstung an der Haut und sorgt so beim Schwitzen für einen Kühleffekt, egal ob die Fenster jetzt offen oder geschlossen sind.

Insgesamt bleibt aber die Erkenntnis, dass unsere gegenwärtige Infrastruktur nicht auf eine globale Erderhitzung vorbereitet ist. 2024 wird der heißeste Sommer seit Messbeginn vor 257 Jahren in Österreich. In Wien sind es gleichzeitig die wenigsten Regentage seit 1904, aber durch das Gewitter mit 110mm an einem Tag wird der Sommer trotzdem zu nass bilanzieren. Es sind aber eben jene Regen- oder schlicht Wolkentage, die längere Hitzewellen erträglich machen, durch regelmäßige Unterbrechungen und Atemluftpausen in geschlossenen Räumen, die dann wieder ordentlich durchgelüftet werden können.

Es braucht künftig bei Neubauten verpflichtende und bei Altbauten geförderte, erschwingliche Außenjalousien, Sonnenschutzfolien und Klimaanlagen in allen Regionen, die besonders von der Hitze betroffen sind. Schulen und Spitäler ohne Klimaanlagen sind 2024 ein No-Go. Ebenso darf es nicht mehr sein, dass Innenhöfe aus Beton bestehen, der Rasen auch dann gemäht wird, wenn er schon braun ist, und mehrspurige Straßen die Kaltluftschneisen in die Stadt abwürgen.

Solche Sommer wie 2024 werden leider zur neuen Normalität, nicht Ausnahme, und das muss sich in der Infrastruktur und im Lebensstil niederschlagen. Die Frage, wann man nun lüftet, ist mein Zugang, dass man die relative Feuchte so niedrig wie möglich halten sollte, z.B, auch durch ein Entfeuchtungsgerät. Das ist wichtiger als die absolute Temperatur, denn wenn der Mensch nicht mehr richtig schwitzen kann, bestehen höhere gesundheitliche Risiken als bei Hitze alleine, außer man „vergisst“ sein Kleinkind im Auto, wo es durch einen Hitzschlag sterben kann. Hohe CO2-Werte in geschlossenen Räumen sind zudem ein erhöhtes gesundheitliches Risiko und inakzeptal dort, wo erhöhte Infektionsrisiken zu erwarten sind.

Ein Gedanke zu „Lüften bei Hitze: Sinnvoll oder Schas?

  1. Avatar von michelmichel

    Hi, ich versuche hier zu antworten, und hoffe der Kommentar kommt nicht oberlehrerhaft rüber: Lüften bringt eigentlich immer was gegen Hitze und auch gegen Feuchtigkeit, sobald die Außen- unter der Innentemperatur liegt. Der Taupunkt lässt sich in einer Wohnung ohne Klimaanlage kaum unter dem der Außenluft halten, dafür sorgen schon die Bewohner mit ihrer Wasserdampfabgabe durch Atmung und Transpiration. Bei einer konstant temperierten Flüssigphase (Schweiß auf der Haut ist das in erster Näherung) hängt die Nettoverdunstungsrate (und damit die Kühlung) nur vom Taupunkt ab, nicht aber von der relativen Feuchte. Lässt sich so verstehen: Das flüssige Wasser drückt einen von ihrer Temperatur abhängigen Dampfdruck Richtung Luft, die Luft drückt ihren vom Taupunkt abhängigen Dampfdruck in die Gegenrichtung und die Differenz ist die Nettoverdunstung. Solange das Wasser wärmer ist als die Luft, fällt die zwangsläufig positiv aus. Andererseits kann auch an evtl. schimmelgefährdeten Wänden kein Wasser kondensieren, solange die wärmer sind als die von außen reinkommende Luft. Selbst wenn die 100 % rF hat.

    Sorry, der Wasserdampf ist bekanntlich ein Lieblingsthema von mir, weil in mehrerlei Hinsicht ein sehr verbreiteter “meteoerror” selbst unter Fachleuten:

    https://www.meteonex.at/2018/03/wasserdampf-das-unbekannte-wesen/

    LG, michl 😉

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