
Der 17. August 2024 geht in die Wiener Messgeschichte ein und stellt gleich mehrere Niederschlagsrekorde auf: Österreichweit gab es noch nie 94mm in einer Stunde. Für Wien war es außerdem ein neuer Augustrekord, der alte wurde 1959 mit 76mm aufgestellt. Es war gleichzeitig ein neuer Tagesrekord für den Sommer mit 114mm, der alte lag bei 110mm am 20. Juni 1886. Unerreicht blieb lediglich der Allzeit-Tagesrekord vom 15. Mai 1885 mit 139mm.
Von den 94mm fielen 15mm in nur 5 Minuten, 24mm und dann 27mm in 10min, mehr zu den einzelnen Regenraten-Rekorden in der UWZ.
Wien weist diesen Sommer die wenigsten Regentage seit dem Jahr 1904 auf, aber wird aufgrund eines einzigen Gewitters am Ende zu nass bilanzieren – ein Gruß der Klimaerwärmung. Vom 1. Juni bis 16. August fielen nur 119mm.
Bereits am Vortag gab es mit über 88mm (gemessen, in Radarsummen um 120mm) am Arlberg, wo es die halbe Pass-Straße wegriss, und 80mm in Hollabrunn, das tagelang zum Katastrophengebiet erklärt wurde. Am gleichen Tag gab es auch Überflutungen in Gloggnitz, wo 94mm fielen und in Trattenbach am Wechsel 117mm in nur 3 Stunden.
Das heiße Mittelmeer
Wie schon in den Vorjahren als Trend erkennbar, gab es auch diesen Sommer anhaltend hohes Geopotential über Südeuropa und nahezu dem gesamten Mittelmeerraum. Das hat mehrere Implikationen: Hitze ist dort ja nicht ungewöhnlich, aber vielfach bleiben Atempausen durch Gewitterlagen aus und es ist beständig sonnig. Dadurch kann sich die Oberfläche des Mittelmeers über Wochen und Monate kontinuierlich erwärmen.
Zu warm sind auch weite Teile des Atlantiks sowie des Nordmeeres, was schon mal einen Vorgeschmack auf den kommenden Winter liefert.

Auch das Mittelmeer hat einen neuen Tagesrekord aufgestellt mit 28,15°C (Median 1982-2011), stellenweise wurden über 30 Grad gemessen.

Die unangenehme Folge: „Meeeresrotz“ an den Badestränden, übelriechender Algenschleim, der sich vor allem in der nördlichen Adria ausbreitet und langfristig das Ökosystem bedroht, wie 2021 das Marmarameer.
Die Algenblüte ist direkte Folge der marinen Hitzewelle bei Wassertemperaturen über 30°C. Die „Tropikalisierung des Mittelmeers“ wird Algenschleim und andere Plagen fördern. Algen brauchen neben Hitze auch Nährstoffe, speziell Stickstoff und Phosphor, um zu wachsen. Im Bereich der oberen Adria wird viel Landwirtschaft mit Düngung betrieben und starke Regenfälle in Oberitalien führen dazu, dass die Nährstoffe in der Adria landen. Dadurch bilden sich vermehrt Bakterien und fördern das Algenwachstum – das gleiche Problem führte zur schlechten Wasserqualität der Seine in Paris. Im Algenschleim können sich nicht nur gesundheitsschädliche Bakterien anreichern, sondern auch die Umwelt gefährden, man spricht von HABs (harmful algal blooms). Dadurch nimmt der Sauerstoffgehalt im Wasser rapide ab und führt im schlimmsten Fall zum „Kippen“ des Gewässers, also dem Absterben von Fischen, Pflanzen und anderen Lebewesen. Das ist auch ein Problem für die Aquakultur, also die Zucht von Muscheln oder Fischen oder den Anbau von Algen für Nahrungsmittel oder medizinische Produkte. Ein EU-Projekt erforscht derzeit in Europa das Thema, u.a. Mikrobiologin Sigrid Neuhauser, von der ich diese Zeilen hier übernommen habe.
Die Zufuhr heißer Luftmassen übers Mittelmeer sorgte am 13. und 14. August jeweils für neue Extremwerte in Bosnien (Zenica, 42,7°C) und Serbien (40,6).
Wärmere Luft kann mehr Feuchte aufnehmen
Eine Erwärmung von einem Grad entspricht 7% mehr Wasserdampf – z.B. im Juli 2024 verglichen zum Juli 1940-1969 sind es 7,3% mehr.

Eine repräsentative Messgröße dafür ist der sogenannte PWAT (Precipitable Water), er steht für den Wassergehalt der Luftsäule zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort, hier im globalen Mittel. Der langjährige Schnitt für Juli lag bei 25,7mm, 2023 waren es 27,3mm und heuer sind wir schon knapp drüber.

Der zeitnahe Aufstieg von Wien zeigt einen PWAT von 43mm, auch für die regionale Klimatologie (ca. 25-30mm im August) ein weit überdurchschnittlicher Wert. Die Labilitätsenergie war hoch, aber mit rund 1100-1500 J/kg nicht extrem. Der Lifted Index von -4 deutete auf „fat CAPE“ hin, was größeren Hagel grundsätzlich fördert. Die Nullgradgrenze lag jedoch mit 4000m ziemlich hoch, sodass viel Hagel abgeschmolzen ist, bis er den Boden erreicht hat. Aufgrund der trockenen Luftschichten unterhalb der Nullgradgrenze wirkte aber auch Verdunstungskälte und verzögerte das Abtauen. Das erklärt letztendlich, weshalb trotz der hohen Nullgradgrenze bis zu 3cm große Hagelkörner aufgetreten sind. Die Windscherung war allgemein schwach ausgeprägt, aber mit 20kt (0-6km) nicht vernachlässigbar. Die steuernde Höhenströmung war Südwest, zwar langsam ziehend, aber genug Zuggeschwindigkeit für gewisse Organisation des Gewitters. Die niedrigste, ausgemessene Wolkenobergrenzentemperatur betrug ca. -62°C – das entspricht einer Höhe von rund 12,5 bis 13km der Gewitterwolke.
Die Mehrzahl der Hagelkörner war durchsichtig, typisch für „wet growth“, sie brauchen hohen Flüssigwassergehalt, besonders im Anfangsstadium des Gewitters, wenn es in höheren Luftschichten noch nicht abgekühlt hat. Mit der zunehmenden Abkühlung durch Verdunstungskälte nimmt der Flüssigwassergehalt ab, das Eiswachstum zu und der Hagel wird undurchsichtiger („dry growth“).
Übrigens – mit der Klimaerwärmung gibt es immer mehr Labilitätsenergie bei gleichzeitig steigender Nullgradgrenze. Es wird erwartet, dass die Ereignisse mit kleinem Hagel abnehmen, aber Großhagelereignisse eher zunehmen (Gensini et al. 2024). Bei kleinem Hagel spielen Schmelzprozesse eine größere Rolle als bei großem Hagel.
Räumlich eng begrenzter Starkniederschlag

Im Süden von Wien blieb es fast trocken, in der Inneren Stadt fielen nur 4mm, 5km entfernt in Oberdöbling hingegen 94mm. Stärker betroffen waren noch die westlichen Wienerwaldbezirke sowie Floridsdorf, aber mit deutlich geringeren Regenmengen.
Ein Skywarner hat einen sehenswerten Zeitraffer des Gewitters von der Jubiläumswarte aus erstellt – man sieht einen klassischen Microburst mit einem „Wassersack“ bei Sekunde 5, wo die Niederschlagslast alleine kurzzeitig zu Sturmböen geführt hat, ab Sekunde 11 sieht man außerdem da radikale Ausströmen der Kaltluft bis weit außerhalb des Gewitters (siehe Bild 6 unten)
Wetterlage

Die Großwetterlage war geprägt von flachen Luftdruckgegensätzen über dem Alpenraum und einer Tiefdruckrinne quer über Österreich. Ein schwacher Höhenkeil lag östlich über dem Balkan. Ein kräftiger Jet über dem Atlantik sorgte für Zufuhr von Kaltluft aus Nordwest bis ins Mittelmeer und einem zunehmenden Abschnürungsprozess (cut-off) über Korsika und Sardinien. In Summe also ausreichend Hebungsantrieb bei sehr energiereichen Luftmassen und dank der Keilachse zumindest eine mäßige südwestliche Höhenströmung.
Leider sind zwischen 14.45 und 19.30 alle Satellitenbilder ausgefallen, weil starker geomagnetischer Sonnensturm für Interferenzen gesorgt hat, ein paar Bilder konnten nachträglich zurückgeholt werden.

Um 12 Uhr Lokalzeit gab es noch keine einzige Quellwolke über Wien, aber die erste Gewitterbildung an der tschechischen Grenze. Um 14 Uhr stand dort schon eine größere Zelle und auch am Alpenostrand ging es los. Von den Gutensteiner Alpen her reichte eine schmale Zunge mit beginnender Quellbewölkung bis quer durch Wien. Über dem Oberen Waldviertel bereits auffällig viel tiefe Bewölkung im Stratocumulus-Niveau. Zu diesem Zeitpunkt herrschte im östlichen Flachland schwacher Nordostwind, im Donauraum Westwind und über Wien bereits eine schwache Bodenkonvergenz mit West versus Nordost. Um 15.10 Uhr bildete sich ein Multizellencluster südlich von Wien und westlich von Wien gab es eine Neubildung. Der Waldviertel-Cluster sorgte für radiales Ausströmen der Kaltluft (Outflow Boundary), die auch im Satellitenbild als tiefe Bewölkung sichtbar blieb. Jauerling, Krems und Langenlois hatten 17-23kt Böen aus Nordwest, über Wien dominierte weiterhin Nordostwind.
Satellitenbildloop mit den Kachelmannwetter-Karten in 15-Minuten-Abständen von 14.30 bis 17.00 Uhr:

Die Outflow Boundary läuft nach Süden in die beginnende Cumulonimbus-Entwicklung hinein, die daraufhin verbreitet explodieren. Man könnte nun umgekehrt fragen, ob es ohne diese Outflow Boundary so ein ortsfestes Gewitter in Wien gegeben hätte. Wie man sieht, müssen wir extreme Wetterbedingungen auch spezielle Windsituationen vorherrschen, um langlebige ortsfeste Gewitter zu begünstigen.
Meine Bilder vom Flugsicherungstower:
Bild 1: Morgenkonvektion Richtung Leithagebirge (Südosten) um 7.39 MESZ

Aus einer Altocumulus-Bank bzw. dahinter entwickelte sich ein mächtiger Cumulus congestus und deutete bereits früh auf das hohe Gewitterpotential an diesem Tag hin.
Bild 2: Voll entwickelter Gewitter-Amboss um 08:03 MESZ

Die mächtige Haufenwolke mauserte sich zum Cumulonimbus samt Schattenwurf mit Sonne schräg dahinter.
Bild 3: Lehrbuchhafte Altocumulus castellanus um 12.33 MESZ Richtung Süden

Um die Mittagszeit zwar wolkenlos, was tiefe Bewölkung betraf, aber schon einzelne Altocumulus-Bänke mit verräterischer Vertikalstruktur. Sie deuteten nicht nur auf genügend Feuchte, sondern bereits signifikante Labiltität in mittleren Höhen hin, ein klassischer Gewittervorbote.
Bild 4: Um 13.53 MESZ bildeten sich südlich von Wien zwei getrennte hohe Aufwindtürme mit voll entwickeltem Amboss.

Eine Gewitterzelle stand über der Hohen Wand, die andere über dem Rosaliengebirge. Die bodennahe Anströmung blieb auf Nordost wie im obigen Radiosondenaufstieg für Wien.
Von diesem Zeitpunkt an ging es schnell. Schon um 14.30 Uhr Lokalzeit entwickelte sich südlich im Bereich Semmering-Schwarzatal die dritte kräftige Einzelzelle. Um 14.40 Uhr bildete sich der erste Schauerkern über Wien-Liesing. Um 15.30 Uhr erstreckte sich das Echo bis in die Wiener Innenstadt, verlor aber vorübergehend an Struktur. Das stärkste Echo stand südwestlich von Wien. Um 15.30 herrschte westlich vom Wienerwald Nordwestwind und östlich davon eine schwache östliche Luftbewegung. Die Bodenkonvergenz blieb mitten über Wien. Über Perchtoldsdorf, Kaltenleutgeben stand eine kräftige Zelle, ebenso über dem Schöpfl.
Um 16 Uhr begannen die Wasserspiele in Wien, mit 3mm in 10min auf der Hohen Warte.
Bild 5: 16 Uhr: Scharf begrenzter Regenvorhang über der Stadt.

Alleine die Färbung, bei Starkregen normalerweise eher gräulich-weiß, hier aber kohlblau, deutete auf heftige Regenraten hin.
Bild 6: 16.10 Uhr – Microburst über der Inneren Stadt.

Der Zeitraffer der Jubiläumswarte hat es noch eindrücklicher festgehalten, aber mir fiel es auch aus der Ferne auf, wie der zuvor senkrechte Niederschlagsverhang plötzlich verwaschen erschien.

Durch Niederschlagskühlung abwärts beschleunigte Luft, die sich seitlich ausbreitete – wie im Lehrbuch. Dazu passte, dass die Innere Stadt eine einsame 40kt-Böe um 16.10 registrierte. Von der Buchbergwarte über Tulln bis zur Stockerau wehte Nordwestwind mit 20kt Spitzen.
Bild 7 – 16.22 MESZ – Zwei Starkregengewitter über dem Norden von Wien und an der Südgrenze

Der Regenvorhang war weiterhin verwaschen, was auf Wind hindeutete. Die Wiener Stationen meldeten Südostwind auf der Hohen Warte, Nordwind in der Inneren Stadt, Westwind und Südwind in Transdanubien und Südwind in Favoriten, also alle Himmelsrichtungen vertreten. Nordwestlich vom Wienerwald inzwischen 17-26kt Nordwestwind, also konstant.
Zwischen 16.20 und 16.40 Uhr MESZ fielen auf der Hohen Warte 51mm in 20min. Um 16.40 Uhr meldete die Hohe Warte eine 37kt Böe aus Nord, die Jubiläumswarte 20kt aus Nordost und Donaufeld 19kt aus Südwest, klassisch radiales Ausströmen von Kaltluft aus einem ortsfesten Gewitter.
Bild 8: 16.43 Mehr Struktur an der regenfreien Basis mit Abschwächung des Regenfuß

Zwischen 16.40 und 17.00 Uhr kamen weitere 29mm hinzu, aber das Radarecho begann bereits auszubleichen. Bis 17.20 weitere 11mm und damit hatten wir die 94mm in einer Stunde.
Was war der Grund für die finale Abschwächung?

Radarbild und Spitzenwinde in Knoten überlagert um 16.20, 17.00 und 17.20 MESZ (Radarquelle: ACG, Winddaten: ZAMG/ACG)
Zu Beginn und am Höhepunkt des Ereignisses dominierte die Konvergenz durch die Outflow Boundary über dem Tullnerfeld mit konstant mäßigem Nordwestwind und den Ostwinden östlich von Wien. Mit der weiteren Abkühlung durch den Starkniederschlag breitete sich der Outflow radial um den Zellkern aus und das Nordwestwindregime brach zusammen. Auch die Stationen nordwestlich des Wienerwalds drehten auf Ost bzw. Süd. Zum Schluss herrschte also eine Bodendivergenz und damit Abwinde statt Aufwinde – das Ende jeder Konvektion.
Bild 9: 17:52 MESZ – Ausklingender Gewitterrregen

Die frischen Quellungen befanden sich nun westlich vom Wienerwald. Dort gab es weiterhin eine Bodenwindkonvergenz, um einige Kilometer nun verschoben durch das Ausströmen aus dem Wiener Unwetter. Über dem Waldviertel wehte weiterhin Nordwestwind. Über Wien selbst regnete sich der mächtige Ambossschirm des nun zum Multizellencluster verschmolzenen Gewitters langsam ab, aber nurmehr mit schwachen Regenraten.
Bild 10: Strukturierte Ambossbewölkung kurz vor Niederschlagsende über dem Augarten (Blick nach Norden) um 20 Uhr

Bilanz des Unwetters:
- Döbling: Frau von Wassermassen unter Bus gedrückt
- Verheerende Hagelschäden am Wiener Nussberg – 100 von 580 Hektar Anbaufläche in ganz Wien ist betroffen
- Knapp 600 Feuerwehreinsätze und ein tragischer Unfall durch Unwetter
Zusammenfassung

Der Sommer 2024 wird im Alpenraum als der schwülste seit Messbeginn eingehen. Die Taupunkte steigen seit Jahrzehnten kontinuierlich an, wobei 2024 ein neues Rekordjahr markiert. Hohe Taupunkte deuten an, dass die absolute Feuchte der Luftmasse ansteigt, die Starkniederschläge begünstigt.
Damit haben wir nun schon mehrere Zutaten, die Starkregenlagen wie in den letzten Wochen begünstigen:
- steigender Wassergehalt der Atmosphäre – Niederschlagseffizienz steigt
- steigende Labilitätsenergie – starke Aufwinde und effektive Niederschlagsbildung, inklusive Hagel
- geringer Hebungsantrieb reicht bereits aus, wenn die Luftmasse feuchtlabil geschichtet ist, und gleichzeitig sehr warm – dann genügen kleinere Tröge in der Höhe, um signifikante Konvektion auszulösen
- geringe Höhenströmung wie unter einem Dellenkeil bewirkt eine langsame Verlagerung von Gewitterzellen bis hin zu backbuilding (rückseitigem Anbauen Richtung Zufuhr energiereicher Luftmassen), sodass über Stunden hinweg hohe Regenraten auch zu absolut hohen Regenmengen führen können.
Das deutsche Lokalmodell ICOND2 rechnete am Vortag im 06z-Lauf (Mittagslauf) für Samstagnacht (!) extreme einstündige Regenraten in Ostösterreich:

Diese Karte hab ich mir abgespeichert, weil ich routinemäßig ICOND2 anschaue. Sie rechneten die richtige Größenordnung der Niederschläge, aber zur falschen Zeit am falschen Ort. Eine Fehlprognose zweifellos, aber die gerechnete Intensität der Niederschläge gab einem erfahrenen Vorhersager Auskunft über das Potential für Starkniederschläge bei dieser Wetterlage.
Der erste Modell-Lauf, der die Gewitter zur richtigen Zeit wenigstens nahe dem richtigen Ort gerechnet hat, war der vom Freitag, 16.08., 15z-Lauf. Zu weit nördlich bzw. westlich und die Waldviertel-Konvektion fehlte noch. Der 21z-Lauf zeigte eng begrenzte 40mm in einer Stunde in den westlichen Wienerbezirken. Der 9z-Lauf vom Samstag hatte das Gewitter mit Schwerpunkt über dem Süden von Wien, mit rund 60-70mm/h immerhin schon näher an den tatsächlich gefallenen Mengen. Erst der 12z-Lauf, der allenfalls 2-3 Stunden vor dem Unwetter verfügbar war, rechnete erstmals zutreffend die Konvektion über dem Waldviertel und Spitzenraten von über 100mm in den Stammersdorf.
Kein einziges Modell hat frühzeitig bzw. rechtzeitig die Intensität der Gewitter am richtigen Ort erkannt. Eine Punktprognose für die nordwestlichen Bezirke von Wien war nicht möglich. Das gröber aufgelöste Globalmodell von GFS lieferte am Samstagmorgen im 00z-Lauf immerhin einen Anhaltspunkt für Starkniederschläge am Alpenostrand. Das britische Modell sogar einen Volltreffer für Wien, aber natürlich weit entfernt von den gefallenen Mengen, also eher ein normales Gewitter.
In meinen Augen haben sich die Modelle mit dem komplexen Zusammenwirken aus Outflow Boundary durch das Waldviertelgewitter wenige Stunden vorher und der stationären Konvergenzlinie am Alpenostrand schwergetan.
Grundsätzlich ist eine solche Wetterlage eher typisch für den Mai oder Juni, mit langsam ziehenden Starkregengewittern. Dazu passen auch die Aussagen der Weinbauern, wonach die Schäden vor einigen Wochen geringer ausgefallen wären, als die Trauben noch klein waren und nicht so leicht aufgeplatzt wären. Ein 30-Grad warmes Mittelmeer passt in keine Jahreszeit, da bewegen wir in unbekanntem Terrain.
Nach dem Unwetter am Vortag in Hollabrunn hörte man, mit diesem Ausmaß sei nicht gerechnet worden. Das Ausmaß war erwartet worden, aber räumlich und zeitlich eingrenzen lässt sich das bei dieser Wetterlage schwer bis gar nicht. Die Vorlaufzeit ist zu gering, um Sachschäden zu verhindern. Im Prinzip kann nurmehr die Zivilschutzsirene laufen und die Personen im Gefahrenbereich sollten dann wissen, dass sie bei Starkregen besser höheres Gelände aufsuchen (aber dennoch Schutz vor Blitzschlägen!), Keller und Unterführungen meiden sollten und abschüssige Straßen meiden, um nicht davongespült zu werden.
Ein weiteres Ereignis, das unterstreicht, wie folgenreich eine dauerhaft wärmere Welt für uns sein wird. Wochenlange Trockenphasen, dazwischen sehr niederschlagsreiche Gewitter, die das Niederschlagsdefizit aber nicht aufholen, weil der Großteil des Wassers bei diesen Raten oberflächennah abfließt und nicht in die oft harten Bodenschichten eindringen kann. So ist die Waldbrandgefahr in Wien und Umgebung damit noch lange nicht gebannt.
Das Gewitter hatte, wie im Blogtext davor geschildert, auch den unangenehmen Nebeneffekt, dass die relative Feuchte nachtsüber hoch blieb und zwar kühlere Luft in die überhitzten Wohnungen kam, aber das Schwüleempfinden zunahm und damit Kopfweh, Kreislaufbeschwerden und reduzierte Leistungsfähigkeit verstärkt auftraten.
