
Das erste Schneetief für Mitteleuropa in diesem Winter Herbst hatte gleich ordentlich Wind und Neuschnee im Gepäck. Tief RENATE zeigte die charakteristischen Merkmale einer klassischen Shapiro-Keyser-Zyklone im Radar- und Satellitenbild. Bis 13 Uhr Lokalzeit gab es an der französischen Atlantikküste verbreitet Spitzenböen von 100 bis 140 km/h, an einzelnen exponierten Orten bis 161 km/h. Um 15 Uhr registrierte Nantes 120 km/h und Pte de Chemoulin (14m) 163 km/h. Auf den prädestinierten Föhnbergen der Zentralalpen wurden 150-180 km/h gemeldet. In Paris bildete sich eine dünne Schneedecke durch den Dauerniederschlag an der umgebogenen Okklusionsfront.
Sowohl die Genese als auch die beobachteten Phänomene entsprechen der einer Shapiro-Keyser-Zyklone.
Beobachtungen

Hellhörig werde ich immer dann, wenn die Frontensysteme nicht ins Bild von klassischen Norwegerzyklonen passen. Hier ist es die längliche Okklusion und ein überaus aktiver (konvektiver) Warmsektor. Die rote Linie markiert die Luftmassengrenze, die Südwest-Nordost orientiert ist, mit 12 bis 19 Grad über Südfrankreich und 0 bis 3 Grad im Nordosten inklusive Großraum Paris.
Die Kaltfront passt von den Taupunkten her ins Bild, nicht aber vom Temperaturverlauf. Nördlich der Kaltfront stößt ein markanter Dryslot auf das französische Festland vor. In diesem Bereich traten die stärksten Windgeschwindigkeiten auf (Sting Jet!).

Labil zwischen Boden und etwa 3km Höhe, darüber deutlich trockener (Dryslot) und hohe Windgeschwindigkeiten.

Im Radarbild zeigt sich keine typische Kaltfront mit durchgehender Echostruktur.

Das ist durchaus bemerkenswert, die herumgebogene Okklusion mit eingebetteten Gewittern an der Spitze, die deutlich abgesunkenen Tops durch den Dryslot (Verdunstung, Erwärmung) und die Kaltfront in der Höhenwarmluft, ohne erkennbaren thermischen Gradienten und eher sogar auf der warmen Seite des Jetstreams.

Am späten Nachmittag war die Kaltfront deutlich konvektiv ausgeprägt. Zudem bildete sich ein Teiltief am Okklusionspunkt.

In der Jetstreamkarte lag der Tiefdruckkern im linken Jetauszug und gleichzeitig im rechten Jeteinzug – die klassische Double-Jet-Configuration von SK-Zyklonen. Im Bodendruckfeld ist das Teiltief gut zu sehen.
Genese
Die Geburtsstunde von RENATE war am Mittwochmorgen auf dem Nordatlantik, und zwar an der ausgeprägten Warmfront eines umfangreichen Tiefs an der Ostküste der USA. Die Front war zugleich barokline Zone durch die Kaltluftzufuhr von Grönland her. An der Warmfront löste sich ein Teiltief ab und schwamm mit der kräftigen Nordwestströmung nach Südosten.
Kartenquelle von Abb.9-12: CHMI.CZ (RGB-Luftmassen-Satellitenbild)

Am Mittwochmorgen befand sich die Verwellung noch inmitten eines breiten Aufgleitschirms.

In der Nacht auf Donnerstag bildete sich die Dry Intrusion, mit dem Cloudhead über Nordirland und dem baroclinic leaf über England und Wales.

Donnerstagmorgen: Die Jetfasern (1,2) deuten schön die doppelte Jetkonfiguration an. Während sich die zurückgebogene Okklusion immer deutlicher ausprägt und bereits voll im Dryslot liegt, bleiben Warm- und Kaltfront verwaschen. Es fehlt die typische Linienstruktur der Norwegerzyklonen.

Am Donnerstagvormittag wird die doppelte Jetkonfiguration allmählich ungünstig für die Lage des Bodentiefs, das sich entsprechend nicht weiter vertieft und sein Minimum mit 978hPa vor der bretonischen Küste erreicht.
Die weitere Entwicklung war etwas komplex. Es gab bereits lange vor der Tiefdruckentwicklung ein Italien- bzw. Genuatief durch die nordwestliche Überströmung der Alpen (Leezyklogenese). Als RENATE das französische Festland erreichte, hatte das Genuatief 1003hPa Kerndruck:

6 Stunden später ist der Kerndruck von RENATE um 9hPa gestiegen, der des Genuatiefs um 9hPa gesunken. Am Freitag, 22.11.24, 00 UTC, hat sich RENATE auf 990hPa über der Schweiz aufgefüllt, das Genuatief auf 988hPa verstärkt und einen zweiten Kern über der Oberen Adria mit 985hPa gebildet.
Markanter Orkan:
In weiten Teilen West- und Zentral- bis Südfrankreichs gab es von Donnerstagmittag bis Mitternacht verbreitet Spitzenböen von 100 bis 130 km/h, in exponierten Lagen auch deutlich mehr. Einzelne Bergstationen in den West- und Zentralalpen stechen ebenfalls hervor (Südföhn).


Korsika
Weitgehend unbemerkt blieb aber, dass die starke Vertiefung des Genuatiefs auch einen veritablen Orkan auf Korsika, zumindest in exponierten Lagen, zur Folge hatte, vor allem in der zweiten Nachthälfte auf Freitag.

Bereits am Donnerstagnachmittag entwicklten sich markante Leewellen (trapped lee waves).

Nachtsüber verstärkte sich der Stau, die Leewellenstruktur war nur sporadisch zu sehen.

Im Vertikalprofil ist eine straffe Westströmung zu sehen, zudem trotz der Tageszeit bis zum Boden durchmischt und labil bis fast 5km Höhe. Da hat es den Höhenwind bis zum Boden herabtransportiert.
Zusammenfassung:
Sturmtief RENATE sorgte in Frankreich, auf den Berggipfeln der West- und Zentralalpen sowie auf Korsika für Orkanböen. In Frankreich stieg der Luftdruck tiefrückseitig stark an, mit 16er Tendenzen, aber die stärksten Böen traten vor allem in Zusammenhang mit den überströmenden Dryslot und Wolkenverdunstung auf – mutmaßlich ein Sting Jet. In den Alpen gab es veritablen Südföhn und auf Korsika markante Lee-Effekte durch die rapide Vertiefung des Genuatiefs und folgendem starken Westgradient.
