
Orkantief Eowyn (in Deutschland: Gilles) hatte heute Nacht (00 UTC) einen Kerndruck von rund 995hPa auf dem Nordatlantik vor Neufundland und soll bis innerhalb von 24 stunden um 53hPa auf 942hPa vertiefen, das ist mehr als der doppelte Druckfall, der für die Definition rapide Zyklogenese notwendig ist. Der tiefste Kerndruck soll mit rund 940 hPa (+/- 5 hPa) knapp nördlich von Irland liegen. Einzelne Modelle wie etwa das ARPEGE rechnen Windspitzen bis 220 km/h westlich von Irland. Im Binnenland wären es immer noch über 150 km/h.
- Mit 940,1hPa in Belmullet war es der tiefste Luftdruck in Irland seit dem 26.01.1884.
- 26.01.1884: 936,6 hPa in Sligo, Irland (Jänner-Rekord) und 925,6hPa in Ochtertyre, UK (Allzeitrekord)
- Deutschland-Rekord: 954,4hPa in Emden am 27.11.1983
Gray and Volonté, Why meteorologists are comparing Storm Éowyn to a bomb (24.01.25)
Wenig überraschend hat auch bei diesem Sturm die Klimaerwärmung ihre Hände im Spiel:
„The storm started as a Diabatic Rossby Wave (DRW), which was fuelled by latent energy from very moist air over much too warm sea surfaces. Climate change appears to increase the frequency of rapid cyclogenesis and cyclones with sting jets.“

Sowohl Jetkonfiguration als auch Thetae-Feld deuten auf eine Shapiro-Keyser-Zyklone hin, damit ist ein Sting Jet nicht auszuschließen. Die Kaltfront ist allerdings recht markant ausgeprägt, was eher bei Norwegerzyklonen typisch ist. Im RGB-Satellitenbild ähnelt es ehrlich gesagt mehr einer cold conveyor belt Zyklogenese.
Bei maximal -10°C Obergrenzentemperatur wird es an der Kaltfront eher bei Schauern bleiben. Frontrückseitig in der Höhenkaltluft ist allerdings bei Tops von -30°C (rund 4500-5000m) verbreitet mit Gewittern zu rechnen.

EZWMF Extreme Forecast Index und Shift of Tails deuten ebenfalls auf ein außergewöhnliches Windereignis liegt, das in der Modellklimatologie noch nie vorgekommen ist.
Für Mitteleuropa hat das Tief insofern Auswirkungen, als ein Schwung Warmluft aus Südwesten dabei ist. An der verwellenden Kaltfront entsteht am Samstag ein ausgeprägtes Randtief, das entlang des Ärmelkanals am Samstag rasch nordostwärts zieht. Es verstärkt die Warmluftzufuhr, sodass die 850er über dem Alpenvorland kurzzeitig über +10°C erreichen.
Aus Zeitmangel heute keine regelmäßige Aktualisierung möglich. Morgen kommt ein Rückblick.
Update, 24.01.25, 12.30 MEZ

Es handelt sich um eine Shapiro-Keyser Zyklone, wobei die Meinungen der Meteorologen auseinandergehen, ob die stärksten Winde durch einen Sting Jet oder den Cold Conveyor Belt verursacht wurden. Somit werden meine oben geäußerten Zweifel, um was für eine Zyklogenese es sich hier handelt, nett reflektiert.
Wissenschaftliche Artikel zum Sting Jet (komme derzeit nicht zum Lesen, verlinke es aber mal, dank Hinweis von Simon Lee, Atmosphärenwissenschaftler an der Universität von St. Andrews)


- Schultz and Browning, What is a sting jet? (2017)
- Clark and Gray, Sting jets in extratropical cyclones: a review (2018)
- Volonté et al., Strong surface winds in Storm Eunice. Part 2: airstream analysis (2023)
- Gray and Volonté, Extreme low-level wind jets in Storm Ciarán (2024)
Bottom line: Nicht nur der Sting Jet verursacht bei diesen Konstellationen extreme Windspitzen, sondern auch andere Luftströme.
Der tiefste Kerndruck wurde jedenfalls um 08 Uhr Lokalzeit mit 943,5hPa in Malin Head an der nordirischen Küste gemessen. Auf dem freien Meer kann er noch niedriger gewesen sein. Der stärkste gemessene Druckanstieg betrug 17,8 hPa in 3 Stunden.
Korrektur: 940,1hPa in Belmullett an der Nordwestspitze Irlands, 939,2 hPa hat eine Boje gemessen.
Anfangs stieg der Luftdruck nur in einem eng begrenzten Bereich über Nordirland stark an, das dehnte sich am Weg nach Nordosten aus. Dahinter wurde der stärkste Druckfall gemessen.


Im RGB sieht man die hochreichend konvektive Bewölkung am intensivsten über der Ostküste von Irland bis Nordirland ausgeprägt. Es ging also zuerst die Kaltfront durch, dann kam der Tiefdruckkern mit dem stärksten Druckfall davor.

Das zugehörige Radar zeigt zu diesem Zeitpunkt auch intensive Niederschläge über Nordirland (verbunden mit Verdunstungskälte).
Windspitzen:
- Mace Head (21m), westirische Küste: 183 km/h (06 Uhr, Rekord, 135 km/h Mittelwind ebenfalls Rekord)
- Connaught (203m), Westirland: 156km/h (07 Uhr)
- Finner (45m), Westirland: 152 km/h (10 Uhr)
- Great Dun Fell Nr 2b (847m), Schottland: 194 km/h (11 und 12 uhr)
Folgen:
Durch Sturmschäden waren um 08.30 Uhr Lokalzeit 715 000 Menschen ohne Strom.
Sonst

Was sonst noch interessant ist: Am 22. Jänner lagen in New Orleans durch einen Blizzard ca. 24cm, stellenweise bis zu 30cm – mehr als das Doppelte als Anchorage (Alaska) diesen Winter. In Pensacola, Florida, mit 17cm ebenfalls ein neuer Bundesstaatsrekord. In Alabama mit 20cm neue Stationsrekorde.
In Yakutsk, Sibirien, wurde heute mit -6,8°C ein neuer Extremwert (Höchstwert) aufgestellt. In über 140 Jahren ist die Temperatur dort im Jänner nie über -11,5°C gestiegen.
