
Sizilien wird derzeit vom Zyklon „Ines“, der schwere Überschwemmungen verursacht und für chaotische Zustände sorgt, heimgesucht. Seit gestern regnet es in ganz Sizilien.
Schwere Unwetter belasten Sizilien, abgerufen am 16.05.25, 20.43 MESZ
Zahlreiche Medien haben eine Nachrichtenagenturmeldung ungeprüft übernommen, auch der ORF (Zitat oben). Per definitionem handelt es sich bei einem Zyklon um einen tropischen Wirbelsturm im Indischen Ozean und im Südpazifik. Im Atlantik und Ostpazifik Hurrikan genannt. Im Mittelmeer auftretende tropische Zyklone nennt man Medicane. Doch liegt hier ein Medicane vor?
In der Kronenzeitung ist zu lesen:
Der Wirbelsturm kommt von Nordafrika, insbesondere vom algerischen Hinterland. Das Tiefdruckgebiet wird sich in den nächsten Stunden allmählich in Richtung Norden bewegen und eine regelrechte Unwetterwelle auslösen, die die südlichen Regionen Italiens mit größerer Intensität treffen wird, warnen Meteorologen.
krone at, abgerufen am 16.05.25, 20.49 MESZ
Was ist an dieser Meldung dran? Nichts, wie ein paar Beobachtungskarten zeigen:
Bodenwetterkarte:

Die Bodenwetterkarte von Donnerstagnacht zeigt ein flaches Tiefdruckgebiet mit zwei Kernen, wobei der nördliche Kern international INES genannt wird. Für einen tropischen Wirbelsturm sind die Isobaren viel zu weit auseinander, das heißt, das Bodentief selbst erzeugt keine Windgeschwindigkeiten in Sturmstärke, sondern nur die begleitend auftretenden Gewittercluster.
Das bei der KRONE verlinkte Video wurde am Donnerstag, 15. Mai, um 18.04 MESZ gepostet. Es bezieht sich auf den Ort Palma di Montechiaro an der Südwestküste von Sizilien. Das einzige durchziehende Gewitter in der Nähe fand aber schon am Vormittag gegen 9.40 MESZ statt, sonst am Nachmittag, aber weiter im Südosten.

Das Infrarote Satellitenbild vom Nachmittag, 16.50 MESZ, zeigt einen mehrere hundert Kilometer langen Gewittercluster, der an der Südostspitze Siziliens vorbei bis zum Stiefelansatz reicht. Dort regnete es sicher kräftig, anhaltend und mit stürmischen Winden begleitet. Zwei Gewitterzellen befanden sich da auch nahe Palermo.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, zu widerlegen, dass es sich hier um einen Wirbelsturm handeln würde. Ich habe mich für die Strömung in ca. 9km Höhe entschieden, dargestellt durch Linien gleicher Windgeschwindigkeit (Isotachen). Das Frontensystem habe ich dazu eingezeichnet – über die Position von Warm- und Kaltfront lässt sich trefflich streiten. Kernessenz ist: Die schweren Gewitter, die über Silzien hinwegzogen, entstanden in einem Bereich mit sehr starker Höhenströmung, was organisierte Multizellen- und Superzellengewitter begünstigt. Es handelt sich also um ein stinknormales Bodentief mit einer hochlabil geschichteten Vorderseite (Warmsektor) und frontogenetischen Antrieb vor der Kaltfront bzw. dahinter. In einer feineren Auflösung der Windgeschwindigkeiten würde man auch im Bereich des Palermo-Clusters immer noch signifikante Höhenwinde erkennen.
Ein einigermaßen repräsentativer Wetterballonaufstieg von der Südwestspitze Siziliens zeigte für den frühen Nachmittag folgendes Vertikalprofil:

Bodennah sehr feucht (niedrige Untergrenzen), darüber stark gedeckelt, aber potentiell labil bis etwa 8km Höhe. Im Südosten in der labileren Luft ging es bis rund 11km Höhe. Es lag sowohl starke Richtungsscherung (bodennah Nordostwinde) als auch Geschwindigkeitsscherung (starke Südwestwinde) vor, auch hier im Südosten von Sizilien deutlich höhere Windgeschwindigkeiten.
In Summe perfekte Bedingungen für anhaltende Gewitter, und wenn man sich die Topographie von Sizilien vor Augen führt …

… wird schnell klar, dass eine anhaltende Südwestströmung hier intensive Stauniederschläge verursachen wird.
In einem Punkt könnten die Medienberichte durchaus zutreffend sein: Die Zugbahn des Bodentiefs ist in der Tat ungewöhnlich und wahrscheinlich selten:

Es entstand über Nordafrika und vertiefte sich durch einen weit nach Nordafrika südwärts reichenden Höhentrog. Mit der vorderseitigen Strömung zog es nordostwärts weiter und querte Süditalien am Donnerstag bzw. Freitag. Vor der Kaltfront wurde neben einer mächtigen Ladung Saharastaub auch hochlabile Warmluft herangeführt.
Mit einem Zyklon alias tropischer Wirbelsturm hat das alles jedoch nichts zu tun.
