Niederschläge

Einleitung

Der Großteil des durchschnittlichen Jahresniederschlags in Innsbruck fällt in den Sommermonaten, wenn die Luftmasse wärmer und absolut gesehen feuchter ist als im Winter. Am Alpenrand und im Alpenvorland ist die Konvektion saisonal unabhängig, da synoptisch-skalige Systeme (Tiefdruckgebiete, Trogachsen) stärker Einfluss nehmen als inneralpin, wo das Talwindregime entkoppelt von der synoptischen Strömung ist. Im Raum Innsbruck beschränken sich schauerartige Niederschläge im Winterhalbjahr tagsüber auf die Gebirgsketten und fallen erst nach Sonnenuntergang in die Talsohle ein. Das hat zum Einen mit dem Talwindsystem bzw. der Hangwindzirkulation zu tun (siehe lokale Windsysteme), zum Anderen mit dem Nordföhn, der erst mit der nächtlichen Auskühlung abhebt.

Natürlich sind auch in Innsbruck starke Dauerniederschläge im Sommer möglich, wovon das Augusthochwasser 2005 ein beredtes Zeugnis ablegt, ebenso kann es im Winter kräftige Schneeschauer geben, wie etwa am 01. Feber 2005, als ein F0/T0-Tornado westlich von Bergisel für etwa dreißig Sekunden den Schnee von den Wipfeln räumte. Der besagte Tornadofall zeigt überdies eindrucksvoll, dass Tornados auch in Österreich immer wieder auftreten.

Innsbruck nimmt in Sachen Niederschlagsbildung durch seine geographische Lage eine Sonderstellung ein. Da es als Quertal in den Nordalpen von zwei Seiten mit Gebirgszügen abgeschirmt ist, deren Überströmung föhnige und damit abtrocknende Wirkung haben, kann – salopp gesagt – in Innsbruck Niederschläge nur dann entstehen, wenn keine Föhnlage herrscht. Das schließt den Dimmerföhn nicht aus, bei dem trotz Föhn schwache Niederschläge begleitend sein können. Auch ohne Föhndurchbruch in Innsbruck kann die Talatmosphäre bereits so stark ausgetrocknet sein, dass darüber entstehende Niederschläge (mittelhohe Bewölkung, Feuchtkonvektion) größtenteils verdunsten.

In Innsbruck sind gradientschwache Lagen nicht ganz so günstig, da sich aufgrund der Hangwindzirkulation Gewitter oft auf die Gebirgsketten beschränken. Bestenfalls nähert sich von Westen eine Kaltfront und vorlaufend bilden sich Gewitterzellen über den nördlichen Stubaier Alpen/Sellraintal. Erfahrungen der letzten fünf Jahre zeigen, dass Sellraingewitter in rund 90 % der Fälle auch Innsbruck erreichen und dann stark ausfallen können (vgl. 21.7.2003).

  • Ansonsten führen quasi-stationäre Höhentiefs im südlichen Alpenraum sowie Vb-Lagen in Innsbruck zu länger andauernden und mitunter sehr ergiebigen Niederschlägen (vgl. 22./23.8.2005), die vor allem im Sommerhalbjahr konvektiv durchsetzt sind und lokale Niederschlagsmaxima produzieren können.
  • Stratiforme Niederschläge sind dann effektiv, wenn die Talatmosphäre mit Kaltluft gefüllt ist und wärmere Luft darüber aufgleiten kann.

Fallbeispiel: Warmfront aus Nordwesten am 06. Februar 2006

Die Großwetterlage vom 06. Februar 2006, 18 UTC, zeigt ein ausgedehntes Blockadehoch mit Schwerpunkt über der Biskaya, um das kurzwellige Störungen herumgeführt werden. Ein Langwellentrog erstreckt sich von Nordeuropa bis ins zentrale Mittelmeer und advehiert hochreichend Kaltluft nach Südsüdwesten.
Eine kurzwellige Keilachse reicht vom Ärmelkanal über Norddeutschland bis zur Danziger Bucht. Weiter stromaufwärts ist ein markanter Kurzwellentrog in eine nordwestliche Strömung eingebettet, welcher mildere Nordseeluft nach Mitteleuropa transportiert. Dies führt in den höheren Schichten zu einem deutlichen Temperaturanstieg, während sich in der Grenzschicht die von Nordosten eingeflossene und unter Hochdruckeinfluss abgetrocknete Kaltluftmasse halten kann. Besonders im Alpenraum, der von den synoptischen Strömungen abgekoppelt bleibt, ist die Kaltluftproduktion recht effektiv. Die Kaltluft wird dadurch mit Warmfrontaufzug nicht ausgeräumt, sodass ein beständiger Aufgleitprozess aus Nordwesten stattfindet. Zusätzlich verhindert die Kaltluft im Inntal sowie die Erwärmung in den höheren Schichten den Aufbau von Labilität, welcher Nordföhn verursachen könnte.

Neuschnee am 07. Februar 2006 im Ortsteil Mentlberg (Stadtteil Wilten). Die Gesamtschneehöhe stieg durch kräftige Dauerschneefälle auf etwa 50-60cm. Typisch bei Warmfronten aus Nordwesten ist der fehlende Übergang in die flüssige Phase, sofern das Kaltluftpolster dick genug ist. Lediglich in der Innenstadt kann es durch die Stadtwärme schneller oder überhaupt in Regen übergehen. Bis zum Ende des Warmfrontniederschlags steigen die Temperaturen sukzessive auf 0°C und knapp darüber an. Je intensiver der Niederschlag, desto länger dauert es bis zur Erwärmung auf positive Werte (Niederschlagskühlung!)

Fallbeispiel: Kaltfront aus Nordwesten am 03. September 2007

Am 03. September 2007 stellte sich die zuvor sommerliche Wetterlage vorübergehend mit dem Vorstoß eines scharfen Höhentroges über Mitteleuropa um. Zur Ankunft der Kaltfront eines ausgedehnten Skandinavientiefs herrschte in der mittleren Troposphäre noch eine südwestliche Strömung. Die scharf gekrümmte Trogachse befand sich unmittelbar vor der Kaltfront, sorgte also für kräftigen Hebungsantrieb auf der Alpennordseite. Bedingt durch die schwache, niedertroposphärische Nordwestströmung hinter der Kaltfront und die seicht einfließende Kaltluft über Kufstein konnte sich kein Nordföhn im Inntal ausbilden.
In der Folge fielen von Montag abend, 03. September 2007, bis Donnerstag mittag/abend, 06. September 2007 fast ununterbrochen Niederschläge, die bis Mittwoch abend sukzessive oberhalb 900-1000m in Schnee übergingen. Im gesamten Zeitraum gab es am Innsbrucker Flughafen ca.55mm Niederschlag, an der Nordkette über 2m Neuschnee!

Am 05. September beschloss ich wegen der andauernden Schneefälle gemeinsam mit ein paar Studienkollegen eine Schneewanderung auf der Axamer Lizum, wo bis zu 50cm Neuschnee zu verzeichnen war. Der Tageshöchstwert in Innsbruck wurde mit +6,4°C erreicht – Rekord für einen 5. September! Auch am Brenner schneite es erstmals seit 100 Jahren wieder an einem 5. September mit immerhin 10cm Neuschnee. Als Konsequenz der ungewöhnlich heftigen, wenn auch schon Tage davor prognostizierten Schneefälle kamen dutzende Schafe und Kühe auf den Almen ums Leben, da die Viehwirte die Wetterwarnungen nicht ernstnahmen und zu spät mit dem Almabtrieb begannen.

Weitere Beispiele:

  • Konvektiver Niederschlag bei Okklusionsfronten wie am 22/23. August 2005 (siehe Fallstudie)
  • Vb-Lagen bringen in günstigen Fällen Kaltluftadvektion aus Nordost bei gleichzeitiger Südströmung oberhalb Kammniveau. Oftmals ist das Inntal bei Südwind in der Höhe noch nicht mit Kaltluft gefüllt, was zu Föhn im Wipptal bzw. in Innsbruck führt. Erst, wenn die nördliche Strömung so stark ist, dass es die Kaltluft seicht über das Unterinntal nach Innsbruck advehiert, kann das föhnige Absinken unterdrückt und in Aufgleitniederschläge umgewandelt werden.
Mittelmeertief-Schnee vom 12. Dezember 2008

Konvektive Niederschläge

  • Windschwachen Tief/Hochdrucklagen mit Feuchteproduktion vor Ort (Starkregenanfällig)
  • Lokale Konvergenzen durch Umkehrkonvektion (erste Nachthälfte), Outflow/Föhnkonvergenz (starke Scherung, heftige Winde/Tornados!)
  • Langsam ziehende Kaltfronten aus Westen (ohne Nordföhngefahr) mit Zellbildung im Sellraintal
  • Höhentiefs,-tröge zu jeder Jahreszeit mit linkem Jetauszug über Tirol
  1. Starkregen
    • windschwache Lagen, gesättigte Grenzschicht
  2. Hagel
    • entkoppelte durchmischte Schicht in mittleren Höhen, z.B. durch seichten Föhn
  3. Schwere Fallböen
    • Kanalisierung im Inntal
    • trockene Grenzschicht durch Föhn, starke Erwärmung
  4. Meso/Misozyklonen und Tornados
    • Scherungskonvergenzen bei Taleinwind + Outflow/Föhn
    • Starke synoptische Strömung mit Richtungs- und Geschwindigkeitsscherung
Mögliche Misozyklone über dem Ortsteil Mentlberg am 12.Juli 2006 – kontrastverstärktes Bild

Winterniederschläge in Innsbruck

1. Bei Südlagen hat man häufig zu starken Südwind und Absinken im Inntal -> Südföhn. Der muss nicht mal im Talboden durchkommen, es reicht, wenn er darüber streicht und den Niederschlag abtrocknet.

2. Die schneebringenden Gegenstromlagen mit Aufgleiten durch Warmluftadvektion aus Süd und Kaltluftadvektion in Bidennähe aus Nordost, die die 20-30cm am 12/13.12.2008 brachten, sind nur dann dauerhafter Schneegarant, wenn danach eine Nordlage folgt und Kaltluft ins Inntal advehiert wird.

3. Bei Warmfronten aus West bis Nordwest, die gewöhnlich die Schneebringer schlechthin in Innsbruck sind, funktioniert das nur, wenn vorher eine hochreichende Kaltluftschicht im Inntal liegt, von wenigstens 400-600 hm Dicke.Sonst passiert das, wie am 20.12.2008, dass sich die Warmluft turbulent nach unten durchsetzt und die seichte Kaltlufthaut am Talboden rasch ausräumt -> Regen. Ist überhaupt kein Kaltluftsee vorhanden und die Dynamik gleichzeitig groß, z.B. bei Kyrill, Emma, Fee o.ä. Lagen mit starkem Druckgradienten, gibt es Nordföhn.

4. Bei Warmfronten aus Nord bzw. Nordost (sehr selten) gibt es meist weder vom Föhn noch von der vorhandenen Kaltluft im Inntal Probleme, da schon zuvor durch nördliche Strömungen Kaltluft eingeflossen ist, und eine Ostkomponente im Nordwind eher föhnunterdrückend ist.

5. Bei den typischen Alpenrandstaulagen mit Nordwind und Höhenkaltluft geht Innsbruck meist leer aus, da die Höhenkaltluft nordföhnanfällig ist und durch die Höhenkaltluft den Stau abschwächt, den Niederschlag eher konvektiv durchsetzt und letzteres ist in Innsbruck stark tageszeitabhängig. Klimatologisch lässt sich feststellen, dass z.B. der Patscherkofel im Winter kaum einen Tagesgang bei den Niederschlägen aufweist, in Innsbruck das Niederschlagsmaximum in die Nacht- und Morgenstunden fällt. Kommt also eine Front oder ein Vorticitymaximum tagsüber, so ist die Schneeausbeute generell niedriger als wenn es nachts der Fall ist. Das Timing spielt also eine große Rolle. Bei stratiformen Niederschlägen wie am 20.12.2008 macht sich die Tageszeit kaum bemerkbar, allenfalls ist eine leichte Niederschlagsverstärkung in der Nacht feststellbar. Bei Schauern hingegen kommt es häufig vor, dass die umliegenden Berge in Schneewolken gehüllt sind, während in Innsbruck Auflockerungen einsetzen und sogar die Sonne hervorkommt – mitten im Höhentrog.

6. Bei Nordostlagen bzw. Ostlagen geht Innsbruck eher leer aus, weil die Kaltluft ewig braucht, bis sie ins Inntal hineinfließt (außer bei starkem Gradienten, dann aber meist antizyklonal bedingt und geringere Niederschlagswahrscheinlichkeit). Das ist das Paradoxon an der Sache, weil das die wenigen Windrichtungen sind, wo Föhn auszuschließen ist. Hinzu kommt, dass die kalte Ostluft eine niedrige absolute Feuchte hat (niedrige Thetae-Werte) und schon der Gehalt an niederschlagbarem Wasser bzw. entsprechend Schnee relativ gering ist. Zwar wird durch das Einfließen über das Unterinntal Hebung induziert, aber große Schneemengen kommen, ausgenommen bei umgebogenen Okklusionen und Kaltlufttropfen eher selten zusammen.

7. Grenzlagen wie der 4.3.2006, die dem bayrischen Alpenvorland unermesslichen Schneereichtum brachten (Fürstenfeldbruck z.B. 70cm in rund 24h), sind hier ebenso ungünstig, weil die Kaltluft im Alpenvorland lagert und potentiell wärmere Luft im Inntal. Das induzierte damals Nordföhn und es fielen „lediglich“ 11cm feinen Pulverschnees.

Fazit:

Viel Schnee gibt es nur bei Warmfronten aus Nordwest und den besagten „Gegenstromlagen“. Voraussetzung dafür ist jeweils bereits eingeflossene Kaltluft im Inntal, die das Absinken der Warmluft (Föhn) im Tal verhindert.

Powder-Vergnügen auf der Nordkette
Symbol für den Winter 2005/2006 am Mentlberg