
Nachdem ich nun tagelang über die Vorhersagen und Warnungen von anderen Wetterdiensten und Behörden geschrieben habe, komm ich nicht umhin, meine eigene Fehlprognose hervorzuheben, die mir auf eindrucksvolle Weise am Donnerstag in der Früh bewusst wurde, als ich Punkt 04 Uhr durch einen lauten Donner geweckt wurde.
In Wien war das nicht weiter tragisch, aber die Schauer- und Gewitter zogen genau übers Tullnerfeld westwärts, also über die am schwersten betroffenen Hochwassergebiete. Keine angenehme Überraschung für die Anrainer, so sie überhaupt Schlaf gefunden haben, von Starkregen und Donner geweckt zu werden.
Was wurde übersehen?
Der Mittwoch verlief wärmer als geplant
Das war nicht geplant. Doch es lief schon am Vortag anders als geplant. Gewöhnlich würde man davon ausgehen, dass die Sonneneinstrahlung nach über 200mm Niederschlag im östlichen Flachland etwas länger braucht, um den Boden aufzutrocknen und damit viel in die Verdunstung geht und weniger in den fühlbaren Wärmestrom (Lufttemperatur).
Tatsächlich ging die Tageserwärmung im östlichen Flachland bis in die Mittelslowakei schnell und um 14 Uhr Lokalzeit lagen die Temperaturwerte bereits bei 25 bis 27°C, bis 17 Uhr auch im Wiener Becken einzelne Höchstwerte um 26°C, am Vortag waren es noch 17-19°C.
Am Nachmittag zogen dann von der Slowakei her doch vermehrt Regenschauer von Osten heran.

Kräftige Gewitter im Südosten von Polen, sonst meist Schauer, aber auch einzelne Gewitter bis ins Weinviertel.

Die Gewitter über Polen waren durchaus mächtig, teilweise 10-11km hoch. Über dem Weinviertel wurden bescheidenere 6-7km, Richtung March immerhin 8-9km erreicht.

Im Radiosondenaufstieg von Wien um 14 Uhr Lokalzeit, war es nur labil bis etwa 4km Höhe, aber wenn man die Werte um 17 Uhr nimmt mit den höheren Taupunkten über der Slowakei, erhält man eine Hebungskurve, die bis etwa 11km hinaufreicht. Dank der sehr trockenen Luft in der Höhe (Entrainment!) lagen die tatsächlichen Obergrenzen im Weinviertel tiefer.

In die Nordostströmung war ein ausgeprägter Kaltlufttropfen eingelagert – ein Gebiet mit Höhenkaltluft (um -22°C) ohne Abbildung im Bodendruckfeld. Mit der kräftigen Tageserwärmung reichte die Labilität aus, um hochreichende Konvektion zu erzeugen.

In der Nacht kühlte die Luft zwar auf 14-17°C ab, aber die Höhenkaltluft rückte näher und es war immer noch labil genug. Nach Mitternacht war die Schichtung nur bodennah stabil, darüber bemerkenswert instabil bis etwa 800hPa mit durchmischten Schichten („elevated mixed layer“), wie man sie sonst nur vom Hochsommer bei Südwestlage kennt. Die Labilität reichte bis etwa 7km Höhe. In dieser Höhe war es immer noch unter -30°C kalt und damit ausreichend für Gewitterbildung.
Das Satellitenbild zeigte den Höhentiefkern über Tschechien und Ausläufer des Systems bis in den Süden von Österreich (Farbgradient). Die hochreichende Konvektion in Niederösterreich ist gut zu erkennen:

Die Modelle hatten die Konvektion unterschätzt, obwohl das Höhentief korrekt berechnet wurde. Aus diesem Grund ist es immer ratsam, Vorhersageaufstiege mit der Realität abzugleichen und mit zugehörigen Bodenwerten zu extrapolieren.
Beweisfoto:


